Interview mit Kilian Kerner
Für Fast 13 Jahre war sein Label sein Baby. Seit dessen Ende 2016 geht Kilian Kerner mit diversen Kooperationen in und abseits der Mode neue Wege. Zum dritten Mal präsentierte der Designer nun seine KXXK Kollektion auf der Berlin Fashion Week, wofür er sechs Monate lang in die Märchenwelt abtauchte.
Die wichtigste Modekritikerin der Welt, Suzy Menkes, beschrieb ihn mal als „sehr einfallsreich“. Mit seinem eigenen, nach ihm benannten Label war Kilian Kerner von 2008 bis 2016 eine feste Größe der Berlin Fashion Week. Anders als viele andere Berliner Label hatte der autodidaktische Designer mit seinen eher strengen, klassischen Kollektionen auch kommerziellen Erfolg. 2011 übernahmen schließlich Investoren sein Label, fünf Jahre später stieg Kilian Kerner endgültig aus – das Ende des Labels. Im letzten Jahr kehrte der gebürtige Kölner mit KXXK wieder zurück auf den Laufsteg der Mercedes Benz Fashion Week Berlin. Als „Kooperation mit mir selbst“ beschreibt er das neue Konzept.
Nun präsentierte der 40-Jährige seine dritte KXXK Kollektion unter dem Titel „Ein Spaziergang durchs Märchenland“. Kooperationspartner war unter anderem wieder Bibi Blocksberg, für die der Designer und Fan bereits 2013 eine T-Shirt-Kollektion entwarf und seine Stimme dem Designer „Kili“ in den für ihn geschriebenen Hörspielfolgen „Der Hexenball“ sowie „Im Modeatelier“ (erscheint im April) lieh. Die Show begann mit der Stimme von Bibi – „Hallo Leute“ – die die Gäste begrüßte. Es folgten märchenhafte Looks für Frauen und Männer aus fließenden Stoffen wie Samt, Seide und opulentem Fake Fur in kräftigen, schimmernden Farben wie Dunkelgrün, feurigem Orange und knalligem Rot sowie sattem Lila, die Eleganz mit sportlicher Lässigkeit und einem spielerischen Twist vereinten.
Es war eine Erinnerung daran, Mode – und das Leben – nicht zu ernst zu nehmen und vor allem Spaß zu haben. Denn im Gegensatz zu minimalistischen Schnitten und gedeckten Beigetönen, können wir mit verspielten Akzenten einen Hauch kindlicher Unbeschwertheit in unseren Alltag zurückholen.
Ich traf Kilian Kerner kurz vor der Show, ohne einen Blick auf die Kollektion geworfen zu haben, Backstage im Kraftwerk, der MBFWB Location in Mitte zum Interview, um mit ihm über die Message seiner neuen Kollektion, die Kraft von Märchen und warum es wichtig ist, weiße Wände anzustarren zu reden.
Mit Bibi Blocksberg kommen natürlich Kindheitserinnerungen hoch. Was würdest du sagen, hat dich in deiner Kindheit besonders beeinflusst?
An Märchen?
Allgemein.
Tennis, Steffi Graf.
Sie war ein großer Einfluss?
Ja, auf jeden Fall. Ich hab nur Tennis gespielt als Kind, jeden Tag. Seitdem ich sieben war hat der Tennisschläger mit in meinem Bett geschlafen. Das war auf jeden Fall ein großer Einfluss. Ansonsten habe ich mich gar nicht so viel beeinflussen lassen. Das versuch ich auch heute noch so. Ich hatte schon immer meinen eigenen Dickkopf.
Es können ja auch positive Sachen sein, die dich zum Beispiel in deiner Arbeitsweise heute noch beeinflussen.
Naja, Bibi Blocksberg hat mich schon, sagen wir mal nicht beeinflusst, aber schon begleitet, seitdem ich drei, vier Jahre alt bin und ich hör das heute noch, und durfte dann ja auch in diese Welt eintauchen, indem ich für Bibi Blocksberg die Kollektion gemacht hab und dann ja auch zwei Hörspiele gesprochen habe, und deswegen spielt sie auch die Hauptrolle in meiner Märchenwelt.
Wie kam es, dass du damals für Bibi Blocksberg gesprochen hast?
Ich hab beim Echo auf dem roten Teppich ein T-Shirt von Bibi Blocksberg getragen und dann haben die das gesehen und mich eingeladen und gefragt, ob ich nicht Lust hätte, eine Bibi Blocksberg Kollektion für die zu machen, und dann haben sie gehört, dass ich mal Schauspiel studiert habe und mir dann ein Hörspiel geschrieben.
Ach, cool.
Wir hatten immer wieder Kontakt, und dadurch, dass sie jetzt 40 Jahre wird, wollten sie halt was machen und haben mich gefragt, ob ich das Hörspiel mache und da hab ich gesagt, „Ja, mach ich“. Es gibt auch ein T-Shirt, auf dem man die Entwicklung von Bibi Blocksberg sieht.
Macht seine Jacke auf, so dass ich das T-Shirt sehe.
Also das ist Bibi am Anfang und das ist sie heute, wie sie sich entwickelt hat.
Ach, witzig, die am Anfang kenne ich gar nicht.
Und dann habe ich gesagt, ich mach eine Märchenkollektion und würde gern Bibi als Hauptfigur nutzen. Und die fanden das natürlich super. Ich wollte einfach mal gucken, wie Bibi In Real Life aussehen würde, wenn sie erwachsen wäre. Und das habe ich dann in meiner Kollektion umgesetzt.
Was fasziniert dich, neben der Zauberkraft, besonders an Bibi?
Sie selber ist einfach ein starkes Mädchen, die auch sehr für Gerechtigkeit lebt, aber auch Schabernack im Kopf hat, das mag ich halt auch, sie ist ein guter Mensch.
Was ist die Message der neuen Kollektion?
Naja, dass wir alle mal ein Stück zurückfahren und ruhiger werden und uns an schöne Dinge erinnern sollten, die unser Leben als Kind schön gemacht haben, und das waren halt Märchen. Einfach mal einen Moment inne halten und die Welt ausschalten, weil das was auf der Welt gerade passiert einfach so unschön ist und ich find’s gut, wir müssen uns das auch alle anhören und auch was tun, aber wir müssen genauso auch mal ausschalten, sonst stumpft man ab, glaub ich, also ich stumpf dann ab, und das will ich halt nicht. Deswegen fand ich’s auch toll, mich jetzt sechs Monate nur mit Märchen zu beschäftigen, das war wirklich eine tolle Zeit.
Ja, man muss da eine Balance finden…
Ich finde auch diese Bewegung, dass die Jungendlichen auf die Straße gehen, ich bewundere das, ich finde das ganz, ganz, ganz toll, aber mir geht’s auf die Nerven, den ganzen Tag und überall damit konfrontiert zu werden, nicht von den Jungendlichen, das mein ich gar nicht. Du kannst dem Ganzen ja gar nicht entkommen. Früher musstest du den Fernseher anschalten, um Nachrichten zu hören, heute ist es überall und ich möchte nicht abstumpfen! Das ist viel zu wichtig dafür, dass man abstumpft und deswegen braucht man Fluchtmomente und meiner war in den letzten sechs Monaten die Märchenwelt.
Was hast du sonst noch, um positiv gestimmt zu bleiben?
Ich mach Sport, ich spiel viel Tennis und starre weiße Wände an… Ich finde, man muss auch mal einfach Stille haben. Stille ist so wichtig und die nehm ich mir auch. Ich bin tatsächlich wirklich gerne auch alleine und genieße die Stille.
Meditierst du?
Das mach ich nicht, aber ich guck einfach weiße Wände an. Alles ist ruhig und ich guck weiße Wände an. Das brauch ich auch für meinen Job, um den Kopf frei zu kriegen.
Hast du das Gefühl, dass du jetzt mit der KXXK Kollektion mehr Ruhe hast?
Ja, also ich hab einfach wahnsinnig viel gelernt in den Zeiten, in den zwei Jahren, oder drei waren es glaub ich, wo ich nicht meine eigenen Sachen gemacht hab, sondern nur Kooperationen. Da gab’s immer diese Zwischenzeiten, wo einfach mal nichts war, und ich hab gelernt das zu genießen und das auch ins heute mitzunehmen. Ich war, oder ich bin immer noch ein Getriebener, aber ich war so getrieben, dass es ungesund war. Ich weiß jetzt, dass es okay ist, zwei Stunden am Tag zum Sport zu gehen oder Tennis zu spielen, dass das viel mehr bringt als sich zu Tode zu schufften. Und das versuch ich jeden Tag, also ich war gestern beim Sport, ich bin heute zum Sport gegangen…
Zum Fitnessstudio?
Genau, und dass man sich einfach diese Momente nimmt, die man braucht, auch den Computer um acht Uhr abends auszumachen. Natürlich ging das jetzt in den letzten Wochen nicht, aber so zu den normalen Arbeitszeiten, acht Uhr ist Feierabend und das hätte ich früher nie gemacht, heute mach ich das so.
Daraus kommt ja dann auch Inspiration…
Ja und dadurch wird alles auch viel besser. Also es ist alles einfach viel Arbeit, aber viel, viel stressfreier. Heute macht das ein kleineres Team als damals und trotzdem hat niemand so einen Stress wie damals, obwohl die gleiche Arbeit von weniger Leuten gemacht wird. Weil ich auch einfach anders ticke.
Und du da jetzt eine viel entspanntere Herangehensweise hast.
Absolut.
Spürst du auch weniger Druck bei den Kollektionen?
Mm, das würde ich nicht sagen, man will ja natürlich trotzdem, dass da was Gutes bei rauskommt. Es ist ein anderer Druck.
Du hast KXXK ja nicht als Label bezeichnet…
Sondern als Kooperation mit mir selber.
Siehst du das auch in Zukunft so?
Ja, also erstmal schon.
Ist es wichtig, dass du auch immer einen Kooperationspartner, wie letztes Mal Häagen Dazs oder jetzt Bibi Blocksberg dabei hast?
Total! Also ich hab auch jetzt Brille24 und Sketchers, und Fachingen kommt heute auch das erste Mal in einer sehr lustigen Form auf den Catwalk. Ich hab diese Saison wirklich wahnsinnig Glück gehabt mit meinen Sponsoren und Partnern, die man übrigens wirklich braucht, weil das einfach wahnsinnig teuer ist, was wir hier machen. Mit Fachingen arbeite ich jetzt seit zwölf Jahren jede Saison. Die machen bei allem, was ich so mache mit, das ist ganz toll. Und auch jetzt die Neuen, das war so stressfrei mit denen, alles hat funktioniert und das ist echt cool und ich finde das ist eine coole Symbiose alles zusammen.
Hast du noch Wunschkooperationspartner?
Ich würde gerne nochmal eine Tenniskollektion machen. Also ich liebe Adidas seit ich ein Kind bin, da wurde ich von Steffi Graf „geinfluenct“ und für Adidas oder generell eine Tenniskollektion nochmal zu machen, wär schon cool.
Muss Mode heute für dich politisch sein?
Also „müssen“ muss gar nichts. Wenn man sein Sprachrohr hat, dann sollte man das auch nutzen, wie ich heute versuche jedem zu sagen, schaltet auch mal aus, kommt mal runter und schaltet einen Moment ab, ihr könnt euch in zwei Stunden immer noch darum kümmern, die Welt zu retten, und dann tut es auch und tut es mit den richtigen Wegen und den richtigen Dingen, die ihr anpackt, aber wir brauchen auch diese Stille… also still ist diese Kollektion nicht, aber Märchen geben uns diese Stille und dieses wohlige Gefühl, das wir in der Kindheit hatten – und das wir auch einfach brauchen – das möchte ich vermitteln.
Ein Happy End also. Da ist ja auch immer dieser krasse Lernfaktor bei Märchen dabei…
Absolut, absolut.
Vermisst du dein altes Label eigentlich oder bist du froh, jetzt neue Wege gehen zu können?
Ich vermiss da gar nichts. Es war auch völlig okay, als das vorbei war. Natürlich war das krass, das war 13 Jahre lang mein Baby, aber es sollte so sein und das ist für mich völlig okay. Ich mach ja Mode und ich mach auch wieder eigene Shows. Und in der Zeit, wo ich keine Shows gemacht habe, habe ich sie nicht vermisst. Als ich das Gefühl hatte, ich muss das jetzt wieder machen, hab ich das auch einfach wieder gemacht, deswegen hab ich da nie etwas vermisst. Das Label war zu Ende und ich hab zwei Wochen später schon wieder die nächste Kollektion gemacht, die Tenniskollektion. Auch wenn das immer wieder heißt… auch jetzt hat wieder eine Zeitung geschrieben, „es war ungewiss, ob er jemals wieder Mode macht.“ Nein! Ich hatte schon einen Vertrag, als es Kilian Kerner noch gab, für die Tenniskollektion und als die vorbei war, kam Samsonite, zwei Jahre lang. Ich hab jetzt eine Kollektion für TUI gemacht, eine riesige Show, die nächstes Jahr rauskommt.
TUI?
Genau, die machen immer so Shows auf ihren Schiffen, und da hab ich irgendwie 130 Teile entworfen und bei KXXK kommt jetzt wieder eine Bibi Blocksberg Kollektion für Kiddinx, also ich arbeite immer und das stand auch nie zur Debatte oder es gab den Punkt, an dem das ungewiss war. Ich find das auch schade, dass so Leute das schreiben, weil sie denken, sie müssten da ein bisschen Drama reinbringen.
Wie sind die Kooperationen entstanden, sind die auf dich zugekommen?
Das ist unterschiedlich. Die Schuhe sind zum Beispiel direkt nach der letzten Show auf uns zugekommen und haben gesagt, sie würden gern größer mit uns kooperieren. Das war auch cool, wir sind uns da nach zwei Wochen schon komplett einig gewesen, was wir wie machen und das ist auch mit in die Kollektion eingeflossen, deswegen ist das auch so unfassbar harmonisch.
Was ist deine Mission als Designer?
Oh, ich missioniere nicht. Ich schlage vor, ich missioniere nicht.
So war das auch nicht gemeint. Sondern mehr so, was du mit deiner Mode transportieren möchtest.
Also heute möchte ich wirklich transportieren, „fangt an, hier, jetzt in dieser Show, lasst das mal auf euch wirken und versucht runterzukommen, zu genießen, an eure Kindheit zu denken“ und ich bin auch gespannt, ob die Leute danach sagen, ja ich hab an meine Kindheit gedacht oder ja, das hat das in mir ausgelöst. Das würd ich mir natürlich wünschen, ob das passiert, I don’t know.
Mehr von Kilian Kerner gibt’s auf www.kilian-kerner.de, bei Instagram und Facebook.